Sabine Krippl und Ania Dornheim
führen gemeinsam die Agentur Textwende. Sie unterstützen Unternehmen mit Strategien, Tools, Trainings und Texten. Ihre Vision: Kommunikator:innen werden zu Stars im Unternehmen.
1. Welche Anrede ist in E-Mails, Chats und Briefen passend?
1.1 Drei Geschlechter - die Anrede von Frau/Mann
1.2 Ist "sehr geehrt" überholt?
1.3 Sollen wir alle mit "Liebe" anschreiben?
1.4 Ist "Hallo" die neue Standardanrede?
2. Wie umgehen mit Titeln und Namensbezeichnungen
3. Wenn ihr mehrerer Personen gleichzeitig anschreibt
Die Antwort lautet: Es kommt darauf an :-).
In grauer Vorzeit war "Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr" mal die Standardanrede. Heute ist unsere Kommunikation individueller und über die Anrede signalisieren wir, welche Nähe wir zulassen wollen und wie locker wir unser Gespräch gestalten möchten.
Empfindet unser Gegenüber unser Beziehungsangebot passend, ist unsere Anrede ein "Türöffner" in den Text. Das bedeutet aber auch: Passt unser Beziehungsangebot für unser Gegenüber nicht, hat dies Auswirkung auf die weitere Kommunikation. Eine passende Anrede auszuwählen, ist deshalb sehr wichtig. Dies gilt besonders für herausfordernde Kommunikationen, wie negative Botschaften (Preiserhöhung, Schließungen) oder schwierige Kommunikationen im Beschwerde- und Communitymanagement.
Überlegt genau, in welcher Beziehung ihr zu der Person (oder den Personen) steht, die ihr anschreibt. Wie alt ist diese Person? Wie nah seid ihr euch? In welcher Stimmung ist die andere Person? Was wisst ihr über die Person?
Seit Ende 2018 gibt es im deutschen Recht das dritte Geschlecht divers. Personen müssen sich seither nicht mehr dem binären System Frau/Mann zuordnen lassen, wenn sie dies nicht wollen. Der Vorname einer Person zeigt damit nicht mehr eindeutig an, welche Ansprache passend ist.
Ein etablierter Weg ist, statt des Geschlechts den Vornamen einzusetzen:
Guten Tag Martin Müller, hallo Birte Beispiel.
In der persönlichen Kommunikation zeigt ihr damit, dass ihr sensibel mit dem Thema umgeht. Nutzt ihr diese Anrede als Standard - also auch bei Menschen, deren Geschlecht ihr kennt, wirkt diese Anrede hingegen unpersönlicher.
Es ist deshalb zielführend, beim Anlegen der Kontaktdaten das dritte Geschlecht einzutragen, um auf die Person individuell einzugehen. Wenn ihr die Person nicht selbst fragen könnt, welchen Eintrag sie bei Anrede bevorzugt, schaut in der Signatur oder im Netz, ob die Person in den Sozialen Medien einen entsprechenden Eintrag gesetzt hat. Hinter dem Namen steht inzwischen oft, wie die Person angesprochen werden möchte (she/her)/ (he/him) oder (they/them). Steht dort nichts, ist dies eher ein Zeichen, dass sich die Person nicht als divers versteht.
Sehr geehrte Frau Beispiel, sehr geehrter Herr Muster - für viele klingt das altbackend und verstaubt.
Gefühlt ist diese Anrede dennoch in vielen Unternehmen noch Standard, vor allen bei Briefen. Manchmal liegt das sogar an der Technik: Bei der automatisierten Kommunikation wird die Anrede oft aus dem Kundenmanagementsystem gezogen. Ist im System "sehr geehrt" programmiert, lässt sich dies nicht individuell ändern. Falls dies bei euch der Fall ist, versuche möglichst viele Mitstreitende zu finden und wendet euch an die IT.
Ein förmliches "Sehr geehrte Frau Muster" kann aber durchaus auch zielführend sein. Und zwar immer dann, wenn ihr damit gezielt einer Person eure Wertschätzung bekunden möchtet. Denn Menschen, die mit dieser Anrede sozialisiert wurden (also ältere Personen), empfinden sie durchaus positiv oder sind ihr neutral gegenüber eingestellt.
Wenn du mehr Nähe signalisieren möchtest, kannst du das "sehr geehrte" auch kombinieren: Guten Tag, sehr geehrter Herr Muster"
Passend: Eine Versicherung schreibt Kund:innen über Fünfundsechzig mit der Anrede "sehr geehrte" an, um damit ihre Wertschätzung izu zeigen. Natürlich muss diese Strategie immer wieder geprüft werden. Denn die "nachwachsenden" Alten werden diese Anrede anders wahrnehmen als Menschen, die aktuell über Fünfundsechzig sind.
Nicht passend: Eine Bank schreibt alle Kunden standardmäßig mit "Sehr geehrte" an. Nur weil die Branchen traditionell eher konservativer sind, heißt es nicht, dass die Anrede "Sehr geehrt" immer passt. Auch in der direkten Kommunikation passen wir unsere Anrede unserer Beziehung zum Gegenüber an. Auch Massenschreiben wie Mailings lassen sich heute individualisieren.
"Liebe Frau Beispiel" oder auch "Liebe Andrea Beispiel" - diese Anrede wird immer populärer.
Auf den ersten Blick wirkt sie herzlich und sympathisch. Es kommt jedoch sehr darauf an, ob die Empfängerin bzw. der Empfänger diese Aussage glaubwürdig findet.
Gibt es Störungen in der Kommunikation, wird eine solche Anrede schnell zum "Stachelwort", besonders wenn wir es mit schwierigen Empfängerinnen und Empfängern zu tun haben. Denn in Konfliktsituationen wird die Anrede von vielen als "zu nah" oder "manipulativ" wahrgenommen. Vorsicht also im Chat oder bei Antworten auf Beschwerden.
Lies dazu unseren Artikel zu verschiedenen Persönlichkeitstypen in der Kommunikation
Nutze die Anrede "Liebe" nicht als Standardanrede. Verwende Sie gezielt für Personen, die dir nahe stehen oder in besonderen Situationen: Z. B. Bei Gratulationen, guten Wünschen oder einer Bitte.
Tatsächlich ist "Hallo" in den letzten Jahren in der E-Mail und im Chat zum Standard geworden - ihr macht damit also nichts falch. Auch im Geschäftsbrief findet das formlose Hallo immer mehr Freunde. Hier kommt es aber noch auf die Branche und die Zielgruppe an.
Bei der Wahl der Anrede entscheidend ist, ob ihr die Kommunikation beginnt oder auf eine Kommunikation antwortet, in der bereits eine Anrede formuliert wurde.
Schreibt euch eine Person mit "Sehr geehrte Damen und Herren" an, antwortet am besten nicht mit "Hallo". Wählt stattdessen eine Anrede, deren Beziehungsangebot "neutraler" ist. Zum Beispiel: Guten Tag. Ihr könnt auch mit "sehr geehrte" antworten, wenn dies zu eurer Beziehung passt (siehe Punkt 1.1)
In E-Mails oder im Chat könnt ihr auch die Tageszeit nutzen. Ein Guten Morgen wirkt frisch und zeigt, wann ihr antwortet. Es spielt dabei keine Rolle, dass andere euren Post ggf. erst später lesen.
Das gleiche gilt natürlich für den Fall, wenn euch eine Person mit "Liebe" anschreibt - in diesem Fall passt ein "Sehr geehrt" nicht, auch, wenn ihr der Person damit eure Wertschätzung zeigen wollt.
In beiden Fällen hat die andere Person ein Beziehungsangebot gemacht. Indem ihr auf dieses Angebot eingeht, zeigt ihr Empathie und öffnet damit den Raum für eine vertauensvolle Kommunikation.
Bei E-Mails und im Chat solltet ihr Dr.-Titel nur dann einsetzen, wenn die Person diesen in ihrem Profil angegeben hat. Denn sie zeigt damit: Mir ist dieser Grad wichtig.
Bei eurer Entscheidung könnt ihr euch an die Empfehlungen der DIN 5008 halten:
Der Doktorgrad wird in der Anrede auch dann genannt, wenn im Nachnamen eine Adelszeichnung steht: Guten Tag Herr Dr. Graf von Beispiel (siehe auch weiter unten)
In Deutschland werden nur Person mit akademischen Grad angesprochen, die diesen Grad selbst erworben haben - nicht dessen Ehepartner. In anderen Ländern gelten hier andere Konventionen (z. B. in Österreich und Italien).
Hallo Frau Dr. Mayer,
Guten Tag, Herr Dr. Muster,
Sehr geehrter Frau Professorin Beispiel,
Seit 1919 gibt es in Deutschland keine Adelsprädikate mehr. Adelsbezeichnungen sind aber bis heute Bestandteile des Namens. Du kannst bei der Schreibweise laut Duden zwischen der gesetzlichen und der gesellschaftlichen Variante entscheiden:
Gesetzlich ("von" ausgeschrieben)
Guten Tag Herr von Muster,
Hallo Frau Freifrau von Muster,
Sehr geehrter Herr Dr. Graf von Beispiel,
Gesellschaftlich ("von" abgekürzt)
Guten Tag Herr v. Muster,
Hallo Frau v. Muster oder Hallo Fraufrau v. Muster,
Sehr geehrter Dr. Graf v. Beispiel, (ohne Herr)
Im Business bestimmt die Hierarchie die Reihenfolge - die Reihenfolge nach Geschlecht (zuerst Frauen, dann Männer) gilt nur im Privaten. Sind beide Ansprechpartner auf der gleichen Hierachie-Ebene, wird aber auch im Business die Frau zuerst genannt.
Bei mehr als drei Personen empfiehlt es sich, die Gruppe ohne Nennung der einzelnen Personen anzureden.
Guten Tag Frau Dr. Muster, guten Tag, Herr Mayer,
Sehr geehrte Frau Muster, sehr geehrter Herr Muster,
Guten Tag, Frau Muster, guten Tag, Herr Muster, guten Tag, Frau Beispiel,
Sehr geehrte Damen und Herren,
oder auch:
Ein freundliches Guten Tag in die Runde.
Liebes Team,
Hallo an alle,
Die Anrede mit "Liebe" funktioniert bei einer Gruppe auch dann, wenn es zu Störungen gekommen ist, da hier die die einzelne Beziehung aufgegriffen wird.
Bei Paaren werden die Namen beider genannt - die Anrede "Eheleute" ist heute nicht mehr gebräuchlich.
Dieser Rat mag dich überraschen, denn wir duzen dich hier schließlich auch, obwohl wir uns nicht kennen.
Der Unterschied: Wir kommunizieren hier nicht 1:1. Wir kennen weder dein Alter noch deine Vorlieben. Unser Du ist deshalb unser Beziehungsangebot an dich.
Schreibst du uns eine E-Mail, entscheidest wiederum du, welches Beziehungsangebot du uns machen möchtest. Greifst du unser Du auf, werden wir dich gerne duzen. Nutzt du das Sie, wissen wir, dass dir dies lieber ist und antworten auch im Sie.
Schau auf jeden Fall in die Signatur der E-Mail oder auf das Profil der Person. Wer das Du präferiert, zeigt dies inzwischen häufig mit dem #gerneperdu" an.
Zum Thema Du/Sie haben wir auch einen weiteren Blogbeitrag geschrieben.
Sabine Krippl und Ania Dornheim
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